Es besteht keine Pflicht von Fußgängern, auf Geh- und Radwegen rechts zu gehen

09. August 2023, 2023/207

§ 76 Abs 1 Satz I StVO idF vor der 33. StVO-Novelle verbot einem Fußgänger das überraschende Betreten der Fahr­bahn. Fehlten Gehwege oder Gehsteige hatten Fußgänger mangels Straßenbankett den äußerten Fahrbahnrand zu be­nützen. Die (analoge) Anwendung dieser Bestimmung der StVO scheiterte hier nach Meinung des OGH schon daran, dass den Fußgängern kein Verhalten vorgeworfen wurde, das einem überraschenden „Betreten einer Fahrbahn" oder einem „auf die Fahrbahn treten" zwecks Überqueren ent­spricht. Die zitierten Regeln wollten eine Gefährdung ande­rer Straßenbenützer verhindern und gewährleisten, dass diese in der Lage sind, ihr eigenes Verhalten nach dem Ver­halten eines die Straße betretenden bzw. überquerenden Fußgängers einzurichten.

 

Wenn ein Fußgänger aber bereits auf der Fahrbahn in glei­cher Richtung wie der andere Verkehrsteilnehmer geht, droht keine mit dem plötzlichen Betreten bzw. Überqueren der Fahrbahn verbundene Gefahr. überdies haben Radfah­rer, die sich einem Fußgänger in gefährlicher Weise nähern, die Kontaktaufnahme mit diesem durch die Abgabe eines Warnzeichens nach § 22 StVO herzustellen.

 

Mit Blick auf § 3 StVO hat die beklagte Fußgängerin im konkreten An­lassfall mangels Warnzeichens (und sonstiger Erkennbarkeit des von hinten herannahenden Fahrrads) darauf ver­trauen dürfen, dass kein Radfahrer naht und durch ihren Schritt nach links gefährdet werden könnte. 

 

OGH 21. 3. 2023, 2 Ob 38/23 m Zak 2023/274, 157